Im Frühjahr 2014 versammelten sich in Berlin um Lars Mährholz, einen Eventmanager, jeden Montag immer mehr Menschen, um gegen den Krieg in der Ukraine zu protestieren. Diese Bewegung, die sich als neue Friedensbewegung sieht und zudem an vorherige Montagsdemonstrationen gegen das DDR-Regime 1989 oder Hartz IV 2003 anknüpfen will, bekam bald Ableger in vielen deutschen Städten. Die Macher hatten einen Nerv getroffen und so kamen neben Tausenden in Berlin auch hunderte Menschen in Leipzig und Dresden.

Problematisch an dieser neuen Bewegung ist die verschwörungstheoretische Ideologie, die ihr von Anfang an innewohnt. So sehen Mährholz und seine MitstreiterInnen in der Notenbank der USA den Hauptgrund für alle Konflikte dieser Welt. Sie sei verantwortlich für alle Kriege der vergangenen hundert Jahre. Daneben gäbe es reiche einflussreiche jüdische Familien wie die Rothschilds, die über globale Macht verfügen würden und alles steuern könnten. Dieser von einigen BeobachterInnen vorgeworfene Antisemitismus sorgte auch neben falsch verstandener Offenheit für alle politischen Ideologien dafür, dass RechtsesoterikerInnen und ReichsbürgerInnen Anschluss suchten und fanden. Sie sind heute ein fester Teil dieser Bewegung.

Mit einiger Verzögerung begannen auch in Chemnitz diese manchmal „Mahnwachen“ genannten Veranstaltungen. Nach und nach setzten sich die schrillsten und kuriosesten Meinungen durch. Auch wenn die Resonanz dieser neuen Chemnitzer Montagsdemo gering ist, finden wir es wichtig, ihre teils „extrem“ rechten und antisemitischen Thesen zu erwähnen.
Auf der Chemnitzer Montagsdemonstration darf nach Veranstalterangaben in Form eines offenen Mikrofons alles gesagt werden. Wiederkehrendes Thema ist die angeblich fehlende Souveränität der Bundesrepublik Deutschland. Da die VertreterInnen dieser These nicht in der Lage sind, den Zwei-plus-Vier-Vertrag auch als abschließendes Vertragswerk für Souveränität und Frieden zu verstehen („Das vereinte Deutschland hat demgemäß volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten.“, Art. 7 des Vertrages), wähnen sie sich immer noch im „Deutschen Reich“. Die Verfassung der Bundesrepublik, das Grundgesetz, wird von ihnen als von den Siegermächten aufgezwungen angesehen und nicht anerkannt.

Ein weiteres Thema sind sogenannte „Chemtrails“. In tiefstem Antiamerikanismus wird hier behauptet, US-amerikanische und andere westliche Regierungen würden mit Sprühflugzeugen giftige Substanzen über der Bundesrepublik verteilen, um das „deutsche Volk“ auszulöschen. Oder es handele sich dabei um den Einsatz von „Wetterwaffen“.

Theodor W. Adorno, führender Denker der Frankfurter Schule, war nach Ansicht eines Redners Satanist und hätte deswegen die Beatles gegründet, die über gekaufte kreischende Teenager in den USA nur deshalb zu Weltstars gemacht wurden, um den Satanismus zu verbreiten. Adorno, der wegen der NationalsozialistInnen emigrieren musste, Satanismus vorzuwerfen, kann als antisemitisch eingestuft werden.

In anderen Reden wird Hitler als großer Staatsmann dargestellt, der den Frieden bewahren wollte. Die Rothschilds, eine Bankiersfamilie, die seit dem 19. Jahrhundert Zielscheibe von Antisemiten ist, wird ebenso immer wieder angesprochen und eine führende manipulative Rolle im „Weltfinanzsystem“ vorgeworfen.

Die Bundesrepublik sei zudem nur eine sogenannte BRD-GmbH, die Beamten nur Angestellte. Veränderungen im Aufklärungsunterricht werden als Versuch einer „Frühsexualisierung“ abgelehnt. Positiver Bezug wird auch auf den NPD-Liedermacher Frank Rennicke genommen; dieser werde zu Unrecht verunglimpft.

Immer wieder ist auch die geheime Macht Israels und der USA Thema, ein mögliches Zeichen für Antisemitismus. Ein fehlendes Verständnis der Wirtschaft sieht außerdem im Zinseszins die „wahre Ursache“ für Wirtschaftskrisen und Ausbeutung.

Neben den regelmäßig stattfindenden montäglichen Veranstaltungen ist die Facebook-Gruppe Chemnitzer Montagsdemo ein weiterer Anlaufpunkt. Hier finden sich vor allem Artikel der neurechten Wochenzeitung Jungen Freiheit oder aus dem rechtsesoterischen Kopp-Verlag. Etablierten Medien wird vorgeworfen, von „Zionisten“ manipuliert zu werden. So sei die Frankfurter Allgemeine Zeitung ein „jüdisches Hetzblatt“. Auch die Theorie einer „Neuen Weltordnung“ findet hier Verbreitung. Geheime Kreise, darunter die Rockefellers und die Rothschilds, arbeiteten daran, gemeinsam über Geheimdienste die Welt zu beherrschen. Überall gebe es Pläne der „angloUSraelis“, die Welt in einen Krieg zu stürzen.
Die Chemnitzer Mahnwachen sind daher zum Teil ein Sammelbecken demokratiefeindlicher, antisemitischer, völkischer TheoretikerInnen, denen wachsam begegnet werden muss.

Diese Seite wurde zu zuletzt am 17. April 2018 bearbeitet.

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