Rassismus ist heute nicht notwendigerweise mit Vorurteilen über die biologische Rasse verbunden. Die eigenen Vorurteile werden vielmehr mit der vermeintlichen Rückständigkeit der fremden Kultur begründet. Deutlich wird dies beim rassistischen Denken über Sinti und Roma ebenso wie beim antimuslimischen Rassismus. Die negativen Zuschreibungen von Gruppenmerkmalen werden mit der Kultur oder den sozialen Verhaltensweisen verbunden. Dies erleichtert zudem die Austauschbarkeit der Feindbilder.
Der antimuslimische Rassismus ist vornehmlich kulturalistisch angelegt. Die Fremdwahrnehmung der durch den Islam beeinflussten Kultur als minderwertig vermischt sich jedoch nicht immer offensichtlich mit biologistischen Vorurteilen über die „orientalische Rasse“. Mitunter kann antimuslimischer Rassismus durchaus auch im Gewand des Antirassismus oder des Feminismus erscheinen. Die unterschiedlichen Facetten antimuslimischen Rassismus machen deutlich, dass die Grenzen zwischen „rechts“, „links“ und „Mitte“ verschwimmen. Die Reduktion auf „den“ Islam und seine Kultur lässt jedoch keine weitergehende Untersuchung zu, was etwa Ursachen für patriarchale Strukturen sein könnten. Vielmehr wird eine Grenzziehung zwischen „Gut“ und „Böse“ vorgenommen, um das eigene Kollektiv positiv über das Fremde zu erheben. Zudem äußert sich die Kritik in Form von sozialchauvinistischen und klassizistischen Argumentationsmustern, so etwa die angeblich generelle Bildungsferne, die Transferabhängigkeit und die pauschal angenommene Nähe von MuslimInnen zur Unterschicht. Diese Vorurteile machen eine tiefergehende Analyse über gesellschaftliche Ursachen von Missständen unmöglich. Die Islamkritik zeigt sich oftmals auch nicht als generelle Religionskritik: Gerade die Debatte um das Kopftuch im öffentlichen Raum macht die angeblich zu befreiende (muslimische) Frau wiederum zum Opfer diskriminierender Praktiken.
Ein Zusammenhang zwischen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und aktuellen medialen Diskursen ist auch in anderen Bereichen sichtbar. Die im Auftrag der Bundesregierung angelegte Untersuchung Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma aus dem Jahr 2014 zeigt den situativen Charakter des heutigen Antiziganismus. Laut Angaben der Studie war die Berichterstattung über Sinti und Roma vornehmlich bei den Themen „Integrationsprobleme“, „Diskriminierung“ oder „Kriminalität“ angesiedelt. Das medial gezeichnete Bild präsentiert damit die Personengruppe als gesellschaftlich schädlich. Die Studie zeigte zum einen ein hohes Maß an Unwissenheit und Desinteresse seitens der deutschen Gesellschaft. Während die Mehrheit zwar negative Vorurteile hatte, nicht aber eine generelle Abwertung der Gruppe vornahm, fiel eine Minderheitengruppe besonders auf: 7 bis 8 % der Befragten zeigten eine deutliche Aversion gegen Sinti und Roma. Sie gaben rund doppelt so häufig an, Sinti oder Roma äußerlich zu erkennen, etwa 10 % hatten die negative Berichterstattung verfolgt. In der Folge zeigte sich u. a. eine negative Einstellung gegenüber der Erinnerungskultur von Sinti und Roma als Opfer des Nationalsozialismus
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