Der Rechtsextremismusbegriff wurde 1974 von den Verfassungsschutzbehörden eingeführt, was bereits darauf hindeutet, dass mit diesem Begriff ein staatliches Interesse verfolgt wird –  nämlich: die Freiheitlich demokratische Grundordnung (FdGO) vor ihren extremistischen „rechten“ und „linken“ Feinden zu schützen. Damit entsteht der Eindruck einer unfehlbaren und per se „guten“ demokratischen Mitte, die von den extremistischen Rändern bedroht sei. In der Wissenschaft wird diese Vorstellung als „Extremismustheorie“ zementiert.

Hauptpunkt der Kritik daran ist, dass der Staat und seine politischen Institutionen versuchen, allein darüber zu bestimmen, was als „demokratisch“ zu verstehen sei und wer zu den Feinden gehöre. In der Praxis wurden seit 2010 alle zivilgesellschaftlichen Akteure dazu verpflichtet, sich bei der Beantragung öffentlicher Gelder schriftlich zur FdGO zu bekennen („Demokratieklausel“). Das Verwaltungsgericht Dresden erklärte diesen Bekenntniszwang im April 2012 allerdings für rechtswidrig. Dies bezieht sich aber zunächst nur auf das Bundesprogramm TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN. Das bedeutet, dass auf Landesebene weiterhin Programme existieren, die die Demokratieklausel beinhalten. Mit dieser Klausel werden, so die KritikerInnen, nicht nur ein gesellschaftliches Misstrauen gefördert, sondern Initiativen gegen Neonazis und Rassismus kriminalisiert und handlungsunfähig gemacht, wenn sie sich diesem Zwang verweigern.

Demokratie im erweiterten Sinn bedeutet jedoch auch, eine kritische Haltung gegenüber potentiellen und tatsächlichen rassistischen Tendenzen innerhalb staatlichen Handels einnehmen zu können. Zudem werden die Ideen und Handlungen von „Linken“ und „Rechten“ bzw. der staatlich ausgemachten „Links- und RechtsextremistInnen“ gleichgesetzt. Dies widerspricht jedoch dem fundamentalen Unterschied, dass Neonazis die Demokratie beseitigen und durch eine Diktatur ersetzen wollen, die auf rassistischen und faschistischen Wertvorstellungen basiert, wohingegen „Linke“ bzw. emanzipatorisch-alternative Ideen auf der Vorstellung basieren, die Demokratie auszubauen, indem die politische Teilhabe der Menschen gefördert, gesellschaftliche Hierarchien und Machtungleichgewichte abgebaut und der Staat der kritischen Kontrolle seiner BürgerInnen unterstellt wird.

Die „Extremismustheorie“ und der damit verbundene Rechtsextremismusbegriff sind daher nicht geeignet, das oben beschriebene Problem zu verstehen, geschweige denn geeignete Lösungen zu finden. Trotz der zunehmenden Kritik wird dieser Begriff bis heute sowohl innerhalb der Sozialwissenschaften als auch in der öffentlichen Diskussion unreflektiert verwendet. Nationalsozialistische bzw. rassistische Ideologien sind jedoch komplexe Phänomene, die im Denken und im Umgang auf allen gesellschaftlichen Ebenen vorzufinden sind. Erst wenn das Problem des „Rechtsextremismus“ als ein Problem von Allen verstanden und dafür gemeinsam Verantwortung übernommen wird, kann menschenfeindliches und antidemokratisches Denken und Handeln bekämpft werden. Ein wichtiger Schritt ist es daher, zunächst Begriffe zu finden, die die einzelnen Ebenen dieses Phänomens besser beschreiben und erklären können.

Diese Seite wurde zu zuletzt am 2. Januar 2013 bearbeitet.

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