Die Ausschreitungen im August und September 2018 haben einige neue Entwicklungen der rechten Szene gezeigt. Besonders auffallend bei den Mobilisierungen war das große Spektrum der Rechten, welches bei den Demonstrationen in Chemnitz aufeinandertraf. Neben verschiedenen Parteien, wie Pro Chemnitz, der Alternativen für Deutschland, der NPD, die Rechte oder dem Dritten Weg, welche sonst selten miteinander demonstrieren, ging PEGIDA und verwandte Gruppen auf die Straßen. Dazu war vor allem die massive Mobilisierung aus der Fußballszene neu. Neben Chemnitzer Fangruppierungen wie „Kaotic“ kamen auch Hooligans aus dem ganzen Bundesgebiet. Ebenso reisten bekannte Neonazis, beispielsweise aus dem Kampfsportumfeld nach Chemnitz. Es war ein Schaulaufen der gesamten rechten Szene.

Besonders hervorzuheben ist hier der 1. September 2018. Dieser Tag steht symbolisch für einen Schulterschluss der rechten Szene. Die extrem rechte Kleinstpartei Pro Chemnitz mobilisierte an dem Tag, ebenso die Alternative für Deutschland, gemeinsam mit dem rassistischem PEGIDA-Bündnis. Die Kundgebung von Pro Chemnitz wurde schnell beendet und die Teilnehmenden strömten zum Aufmarsch der AfD und PEGIDA. Die Kombination war nicht überraschend, aber dennoch neu, denn bisher hatte die AfD eine offizielle Zusammenarbeit mit PEGIDA vermieden. Der Zug wird von AfD-Politiker Björn Höcke und dem PEGIDA-Frontmann Lutz Bachmann angeführt. Neben diesem Schulterschluss der AfD mit PEGIDA liefen hier Aktivist*innen der neuen Rechten neben Anführern verbotener rechter Kameradschaften, rechte Medienmacher*innen und weitere Politiker*innen verschiedener Parteien.

Dass besonders Pro Chemnitz dieses breite Spektrum mobilisieren konnte scheint nicht überraschend. Seit Jahren hat sich Pro Chemnitz in der bundesweiten Szene vernetzt. Mitglieder von Pro Chemnitz haben gute Kontakte in die extrem rechte Kampfsportszene, sind vernetzt in der Chemnitzer Fanszene oder waren in ihrer Vergangenheit mindestens im Umfeld heute verbotener Kameradschaften aktiv. So konnte Pro Chemnitz die Ausschreitungen für sich nutzen und erlebte im Spätsommer und Herbst 2018 eine Hochphase.

Dennoch blieb es im Spätsommer 2018 nicht bei einem symbolischen Zusammenschluss rechter Akteure. Die Ausschreitungen führten zu einer Radikalisierung einzelner Rechter und führten dazu, dass sich die rechtsterroristische Vereinigung „Revolution Chemnitz“ gründete und nach der Demonstration von Pro Chemnitz am 14. September 2018 ihren ersten sogenannten Probelauf starteten. Zusätzlich gibt es eine Verstrickung der Ausschreitungen 2018 zum Mord an den Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter sagte dieser aus, dass er auf der Rückfahrt von der Demonstration am 1. September 2018 in Chemnitz den Entschluss fasste Walter Lübcke etwas anzutun. Auf der Demonstration war er mit einem Mitangeklagtem gesehen wurden. Die Ausschreitungen in Chemnitz schienen den Täter ermutigt und bestärkt zu haben.

Diese Seite wurde zu zuletzt am 8. März 2021 bearbeitet.

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